Fremde im Fremdland
Ist das heute der erste Schultag? fragte ich. „Ja, mein schönes Kind. Du musst brav sein, wie immer.“ Sagte meine Mama.
“Was haben wir zum Essen? “fragte ich.
Keine Antwort…
Ich erschrak. Ich wollte das gar nicht. Ich zog die arme afghanische Schule der iranischen Schule vor. Warm waren sie. Das Wetter und mein Herz. Mein kleiner komischer Rucksack war voller Nichts, wie immer am ersten Schultag. Aber da habe ich meine erste Liebe kennengelernt. Meine ewige schöne Liebe. Sie spricht noch immer mit meiner Sprache mit mir. Sie lernte nie das Verraten. Sie heißt Feder.
Ich war auf dem Weg. Ich fühlte mich fehl am Platz. Viele Feinkostgeschäfte waren um mich herum. Alle Kinder waren unterwegs und blödelten auf dem Weg zur Schule. Viel Schokolade. Ich lernte leider in dieser Zeit, die Sachen, die ich nicht bekommen konnte zu hassen. Ein schreckliches Gefühl. Aber nicht schrecklicher als die dunklen Schatten, die ab und zu mich besuchte und oft bei mir war. Ich will nicht ihn beschreiben, da mein Herz damit wehtäte.
Ich war unterwegs zu Schule.
Ich ging jetzt schneller als die anderen. Ich hatte Angst, dass ein Iraner mich, einen Afghanen, erkannte.
Endlich war ich beim Schulhof. Alle Kinder waren gut gekleidet. Alles war neu. Ich schaute meine Schuhe an. Ich träumte wie immer …
Im Schulhof musste ich mich anstellen. “Wo ist die Reihe der fünften Klasse? “fragte ich.
“Ein Afghane kann in diese Schule kommen? In eine iranische Schule? Das ist doch blöd. Geh in dein Land zurück! Was machst du hier? ” sagte ein dicker großer Bursch.
Er wollte mich stoßen.
“Nein, mach das nicht! Afghanen sind schmutzig,” sagte sein Freund.
Ich hatte einen Kloss im Hals und musste ihn schlucken. So lernt man zum ersten Mal, was Hass bedeutet und wie man hassen soll.
Ein Aufseher mit einem Schlauch in der Hand kam zu uns. Wir erschraken und er schlug damit gegen unsere Beine. So fing der erste Schultag bei uns an. Leider gab es keine Schokolade.
Wir wurden bestraft: Wir mussten eine Handbreit Abstand halten. Nach dem Anrufen Allahs mussten wir ein paar Parolen gegen Amerika und Israel anstimmen. In Gehirnwäsche waren sie unglaublich geschickt. Jede muss irgendwie Geld verdienen und das ist ihr Weg.
Am Ende der Strafe, bekamen wir ein paar Sätze aus dem Koran zu hören und dann beteten wir mit einem besonderen Singen, damit unser Imam, der jetzt unsichtbar ist, zu uns kommt und mit dem Schwert seines Urgroßvaters, alle Personen, die nicht Muslime sind, tötet und somit Frieden und Glück bringt.
„Das alles ist so, weil wir das nicht von Alleine schaffen und nicht genug gläubig sind. Wir sind kein ganz gute Menschen und nicht geeignet dafür, dass wir Frieden überall verbreiten. Der Imam kommt in einem Freitag und rettet uns alle“ Sagte mein Religionslehrer.
Dann mussten wir in unsere Klassen gehen.
Ich setzte mich in der Mitte der rechten Reihe auf eine Holzbank. Unsere Klasse hatte drei Bankreihen. Eine auf der rechten Seite, eine auf der linken und eine in der Mitte. Es gab dort fünf Bänke hintereinander. Unsere schwarze Tafel war voller Schimpfwörter. Die Hälfte der Schimpfwörter galt den Afghanen.
Ich musste eigentlich einfach alles ignorieren. Ein anderer Afghane, den ich kannte, war auch dort. Doch leider war er ein Hazara. Hazarer sind Afghanen, die ein mehr asiatisches Aussehen haben. Die meisten Iraner hassen sie, sie werden als Menschen zweiter Klasse behandelt.
Er war sehr brav in der letzten Klasse. Ich erinnere mich daran, als er in der vierten Klasse war, verprügelten ihn die iranischen Burschen der sechsten Klasse vor dem Schuleingang. Er war voller Blut. Iraner hackten ihm die Finger ab. Als er 10 Jahre alt war, überfiel ein Iraner seine 12-jährige Schwester und brachte sie anschließend um. Der Junge war sehr arm, er tat mir leid. Ich wollte immer mit ihm reden, aber ich wusste nicht wie ich Kontakt aufnehmen sollte. Vielleicht hatte ich Angst, vor vielem!
Sein Vater arbeitete letzte drei Monaten für einen Iraner, er bekam oft kein Gehalt. Seine Mutter konnte nach einem erlebten Trauma nicht mehr sprechen. Sein großer Bruder war im Gefängnis.
Ich ging dann nachher manchmal zu ihm, um ihm manchmal beim Lernen zu helfen. Weil er nicht mehr gut lernen konnte.
In der Schule musste ich mich auf die linke Seite setzen, weil ich Afghane bin.
Ich tat dies. Eigentlich war die linke Seite heller als die rechte. So gab es keinen dunklen Schatten zu sehen und keinen Herzschmerzen. Es gab dort ein großes Fenster. Ich wünschte damals, ich wäre als Vogel auf die Welt gekommen und damit ich die Lippen der Wolken küssen konnte. Aber nicht in meinem Vaterland. Mein Vater erzählte mir immer vom großen Krieg, den es dort heute noch immer gibt und jetzt ist die Macht in Afghanistan in der Hand der Mörder. Mein Onkel wurde dort von den Taliban ermordet. Meine Brüder arbeiteten so viel im Iran für das niedrigste Gehalt. Sie konnten trotzdem nicht ihren eigenen Wünschen nachgehen. Das macht mich unglaublich wütend.
Der afghanische Junge, dem ich beim Lernen half, hieß Hossein. Er ging später nach Syrien, als er erst 19 Jahre alt war.
„Ich will für Imam Hossein (Dritter schiitischen Imam, hoch heilig) kämpfen,” sagte er.
Ich sagte ihm, dass das alles ein schrecklicher Plan sei und dass die Menschen dort gefährlich seien und uns unsere Freiheit nehmen wollten und dass er bei seiner alten kranken Mutter bleiben solle. Ich verachtete seine Mutter, weil sie selbst ihren einzigen klugen Sohn in den Krieg schickte.
Als ich 18 Jahre alt wurde und im letzten Schuljahr war, lernte ich viel über den Islam. Mein Vater schlug mich ein paar Mal wegen meiner kritischen Fragen. Ich wurde aber trotzdem kein Muslim. In der Schule war ich allein. Nur ein paar Lehrer waren nett zu mir. Niemand wusste, dass ich Agnostiker bin. Sie lehrten uns über die islamische Religion und das war kein Problem. Aber ich hörte, was sie mit den Personen, die keine Muslime waren, machten. Sie sagen, dass diese Personen gegen Gott sprechen und deswegen müssen sie verhaftet oder getötet werden.
Ich möchte niemals so denken und niemals so handeln. Aber die Folge wäre Todesstrafe gewesen.
Ich war ein „unechter Muslim“. Ich musste einen Gott anbeten, der die Erde grauenhaft erschaffen hatte. Ich musste meine ganze Kindheit nur die Rolle eines Muslims spielen.
Ich schuftete auch wie meine Brüder, damit ich Geld für die Schule und die Matura verdienen konnte. Mein Vater konnte mir kein Geld mehr geben, weil er mit seiner neuen iranischen Frau sehr beschäftigt war und nachher große Probleme hatte. Er verließ uns. Ich hatte wenig Kontakt mit ihm. Meine Mutter war ganz alleine. Ohne Familie und Geschwister. Sie musste jetzt auch arbeiten gehen. Sie tat das für mich. Aber jetzt ist sie in Ruhe und für immer im Schlaf.
So waren Stress und der dunkle Schatten eigentlich mein ganzes Leben meine Begleiter.
Jetzt bin ich in Österreich. Da habe ich einen schmalen Weg zu gehen. Ein dünnes Eis. Aber wichtig ist, dass ich zumindest diesen Weg habe und das ist meins. Ich hoffe, dass niemand unsere kleinen freien Wege von uns wegnimmt.
Meine erste kurze Geschichte auf Deutsch
(C) Mohammad Ibrahim Rahimi